Ich liebe es Achterbahn zu fahren. Ich mag es mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe zu stürzen und in die Kurven zu rasen. Höher, Schneller und Größer!
In meiner Kindheit waren wir oft im Phantasialand. Ich liebte es dort zu sein und nachdem die Colorado Adventure von Micheal Jackson eröffnet worden ist, konnte ich das erste Mal Achterbahn fahren. Ich war schließlich über 1,20m. Nachdem ich das erste Mal mitgefahren war, konnte ich überhaupt nicht genug bekommen. Die CA war meine erste Achterbahn.
Jetzt, 17 Jahre später sollte es endlich wieder ins Phantasialand gehen. Diesmal mit meiner eigenen Familie, mit meinen eigenen Kindern. Ich war total aufgeregt. Meine Tochter ließ sich schnell anstecken von meiner Begeisterung. Wir schauten, schon Wochen vorher, gemeinsam Bilder und Videos von den verschiedenen Attraktionen. Sie wollte auch unbedingt als erstes Colorado Adventure fahren.
Gesagt getan! Die erste Attraktion die wir anpeilten war die Achterbahn aus meiner Kindheit. Ich konnte mir nicht nehmen lassen, während der ersten Fahrt neben meiner Tochter zu sitzen. Schließlich war sie ja genauso begeistert die letzten Wochen. Allerdings löste sich ihre Begeisterung in den ersten Kurven schnell in Luft auf und als die Achterbahn auch noch kurz durch einen dunklen Abschnitt fuhr, war es ganz vorbei. Sie bekam Angst. Ich versuchte sie zu beruhigen und ihr zu erklären das es gleich vorbei ist. Aber wenn ich ehrlich war, konnte ich es nicht nachvollziehen. Denn ich fand es doch soooooo toll!!! Warum sie denn nicht?
Letztendlich war die Fahrt vorbei und sie beruhigte sich wieder etwas. Mein Sohn und ich wollten gleich nochmal, also ging es los. Gleich nochmal. Danach ging es weiter und wir gingen durch eine nachgebaute Schlucht. In dieser Schlucht befanden sich viele Schienen einer Achterbahn und laute Geräusche, die aus den Boxen dröhnten. Meine Tochter bekam Angst und lief zurück. Ihrer Aussage nach wollte sie nicht mit der Bahn fahren. Ich ging ihr nach und erklärte ihr das wir damit ja nicht fahren, wir müssen nur durch diese Schlucht. Sie ließ sich eine ganze Weile nicht beruhigen. Irgendwann wurde ich etwas sauer, weil ich ihr Theater nicht nachvollziehen konnte. Wie auch? Ich war ein Achterbahnjunkie. Nach einigen Minuten konnte ich sie überzeugen durch die Schlucht zu gehen.
Wir stellten uns bei einer nächsten Attraktion an. Es war eine ruhige Fahrattraktion, mit Sahnekanonen. Dort sollte man mit der Sahne Mäuse abschießen. Meine Tochter bekam auch da Angst, bevor es überhaupt los ging. Sie glaubte uns nicht, dass diese Bahn nicht schnell war. Ich muss zugeben ich war innerlich wirklich wütend und konnte sie dementsprechend nicht beruhigen.
Mein Mann schlug meinem Sohn und mir dann vor, in die Achterbahn zu gehen, die wir in der Schlucht gesehen hatten. Er würde mit unserer Tochter warten und ein Eis essen. Mir kam der Vorschlag gelegen, schließlich musste ich mich erstmal beruhigen. Also ab in die Bahn und was ich dort erlebte, machte mir irgendwie Angst. Diese Bahn war so schnell so ruckartig von den Kurven, das es mir förmlich den Atem raubte. Ich hatte das Gefühl als würde mein ganzer Körper zusammengedrückt. Man war noch nicht mal in der Lage zu schreien in dieser Bahn. Weil die hohe Geschwindigkeit einem den Atem raubte. Das erste Mal war ich froh, dass die Fahrt einer Achterbahn zu Ende ging. Als die Bügel sich öffnete, torkelte ich förmlich hinaus. Mir war wirklich schwindlig. Mein Sohn fand sie toll und wollte nochmal. Ich nicht! 😊
Ich setzte mich zu meinem Mann und meiner Tochter und musste mich erstmal beruhigen. Und dann wurde mir klar, wie sich vielleicht meine Tochter bei ihrer ersten Achterbahnfahrt gefühlt haben musste. Und wenn sie ansatzweise so wie ich gerade empfunden hatte, dann muss das für ihr Alter ganz schön beängstigend gewesen sein. Kein Wunder, das sie Angst bekam. Mir wurde bewusst, dass ich sie verurteilt hatte in ihrem Verhalten. Nachdem es mir besser ging, suchte ich das Gespräch zu ihr und entschuldigte mich bei ihr. Danach besserte sich sowohl ihr Verhalten, als auch mein Verhalten. Sie fühlte sich angenommen und verstanden, weil meine Ermutigungen diesmal von Herzen kamen. Sie waren ernstgemeint. Es waren keine Floskeln, die man nur sagte und innerlich nicht so meinte.
Am Abend dachte ich über die Situation nach und ich empfand sie als gruselig. Ich müsste es ja eigentlich besser wissen, dass man Personen nicht vorschnell verurteilen soll, ohne ihre Beweggründe zu kennen. Ich finde es schlimm, wie schnell man denkt „Puh, stellt das Mädchen sich aber gerade an“. Natürlich findet man diese Situation in sämtlichen Bereichen. Ich finde wir verurteilen viel zu schnell. Ich werde es mir noch mehr zu Herzen nehmen, andere nicht zu verurteilen. Nicht ihre Handlungen, noch vielleicht ihr Aussehen, noch ihre Ängste. Denn ich bin gut so, so wie ich bin und du schließlich auch!
Eure Steffi
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Susanne (Sonntag, 28 Juli 2019 21:06)
Sich selber immer wieder zu hinterfragen ist nicht immer einfach und vor allem nicht selbst verständlich. Du kannst das, liebe Steffi!
Eine tolle Fähigkeit. Danke für diesen wertvollen Blog!
Theo Schoenaker (Sonntag, 28 Juli 2019 21:37)
Ich konnte es so gut mitfühlen. Es war als wäre ich du. Eine sehr lebendige Wiedergabe der so verständlichen Situation. Du hast viel gelernt und deine LeserInnen auch. Dank.
Steffi (Montag, 29 Juli 2019 09:56)
Liebe Susanne, ja es nicht einfach! � Vielen Dank für deine Worte!
Lieber Theo, vielen Dank! Ich fand es bemerkenswert wie sensibel meine Tochter auf meine erst nicht so gemeinte Ermutigung reagiert hat und dann aber auf meine ernstgemeinte Ermutigung reagiert hat. Das hat mich an deine Worte erinnert, das Ermutigungen immer von Herzen kommen müssen, damit sie beim Gegenüber auch ankommen! �